Welche Sprache ist die schwierigste?

Während sich Mark Twain über das Deutsche mit seinen seiner Meinung nach komplizierten 3 grammatischen Geschlechtern beschwert, obwohl ja die Rechtschreibung seiner englischen Muttersprache nicht unbedingt vor Einfachheit strotzt, finden wir sicher andere Beispiele schwieriger Grammatiken. Wie wäre es mit dem Französischen und seinen 13 Schreibmöglichkeiten des Lauts ‚o‘, dem Spanischen mit 48 Zeitformen, dem Latein mit seinen Endungsvariationen oder den slawischen Sprachen mit der Unterscheidung der vollendeten und unvollendeten Verbformen?

Sprachen der Welt
Es werden 7000 existierende Sprachen geschätzt
Wie kompliziert uns auch immer die uns geläufigen Sprachen vorkommen mögen, solange sie zur indogermanischen Familie wie das Deutsche gehören, umso komplizierter scheinen uns nicht verwandte Sprachen: Agglutinierende Sprachen packen zum Beispiel die Bedeutungsträger in ein Wort. Ein Beispiel aus dem Türkischen: Die Zusammensetzung ‚Evlerindemisçesine rahattilar‘ bedeutet ‚Sie waren sorglos, wie wenn sie bei ihnen zu Hause wären‘. Im Estnischen wiederum begegnen wir 14 Kasus mit unzähligen Ausnahmeregeln; nicht anders ist es auch in weiteren finno-ugrischen Sprachen.

Bis jetzt bewegten wir uns im Bereich der Grammatik. Weitere Perlen finden wir in der Aussprache, besonders, wenn wir uns näher die Sprachen Südafrikas ansehen. Xhosa ist durch seine Klicklaute bekannt, ein richtiges Erstaunen ruft jedoch die Sprache !Xóõ hervor, die von einigen Tausenden Sprechern in Botswana gesprochen wird. Sie unterscheidet nämlich 5 Basis- und 17 Begleitklicklaute, die sich durch ihre Bildungsweise unterscheiden (je nachdem, ob der eingeatmete Luftstrom gegen die Lippen, die Zunge oder den Kehlkopf usw. stößt), und die außerdem 4 mögliche bedeutungsunterscheidende Töne haben, welche die Bedeutung unterscheiden.

Vier bedeutungsbildenden Tonhöhen begegnen wir auch im Hochchinesischen. Das ist aber noch nichts gegen das Kantonesische, das sechs Töne kennt, und den Dialekten Min, die bis zu acht davon haben. Eine einzige Silbe, abhängig davon, ob sie mit einer gleich bleibenden, hoch steigenden, tief fallend-steigenden, scharf abfallenden usw. Intonation ausgesprochen wird, hat jedes Mal eine andere Bedeutung. Und die Tonalitäten können sich nach komplexen Regeln noch gegenseitig beeinflussen.

Auch die in den 1990er Jahren ausgestorbene kaukasische Sprache Ubychisch war alles andere als arm an Lautvielfalt – sie hatte 78 unterschiedlich ausgesprochene Konsonanten.

Kommen wir noch einmal zurück zur Grammatik. Das Genus hat in den meisten Sprachen nur wenig mit dem Geschlecht zu tun. Es handelt sich eher um nominale Gruppen, die zu grammatischen Zwecken zusammengefasst sind. Die nordaustralische Sprache Dyirbal vereinigt z. B. in einem Genus ‚Frauen, Feuer und andere gefährliche Sachen‘.

Oder Personen und Numerus: Kwaio (Salomoninseln) gibt sich mit ‚wir‘ nicht zufrieden. Es unterscheidet zwischen ‚ich und du‘ und ‚ich und jemand außer dir‘, und neben der Einzahl und Mehrzahl noch Dual und Paukal (wir zwei, wir wenige, wir viele) kennt. Die Verben im Berikischen (Neuguinea) haben Endungen, mit denen die Tageszeit unterschieden wird, wann etwas geschehen ist.

Die Sprache Tuyuca, die von nicht einmal eintausend Sprechern im Flussgebiet der kolumbianischen Flüsse Inambu, Tiquie und Papurí sowie in Brasilien gesprochen wird, ist die inoffiziell schwierigste Sprache der Welt. Sie begnügt sich zwar mit einfachen Konsonanten und mehreren Nasalen, doch als agglutinierende Sprache drückt sie Sätze in einem Wort aus, unterscheidet zwischen den zwei ‚wir‘-Formen wie im Kwaio, und in Tuyuca und ihr verwandten Sprachen treffen wir auf 50 bis zu 140 Genera, von denen einige wirklich nur selten verwendet werden, wie z. B. für das ‚Boot, das sich nicht nahe der Bäume hält‘. Tuyuca hat jedoch auch obligatorische Verbendungen, die ausdrücken, woher der Sprecher weiß, was er sagt (‚weil ich es gesehen habe‘, ‚ich vermute‘).

Die Sprachwissenschaftler fanden bisher nicht heraus, welche Vorgänge sich im Gehirn abspielen, wenn man in verschiedenen Sprachen denkt, besonders in jenen, die eine Struktur haben, die sich von den uns vertrauten weit unterscheidet. Allzu viel Zeit zur Forschung haben sie nicht. In 100 Jahren soll nämlich bis zu einer Hälfte heute existierender Sprachen ausgestorben sein.