Französischer Einfluss in Berlin

Hunderttausende Hugenotten, verfolgte calvinistische Protestanten aus Frankreich, fanden seit dem Beginn der Gegenreformation, insbesondere aber nach dem Widerruf des königlichen Toleranzpatents im Jahr 1685, Zuflucht außerhalb von Frankreich.

Denkmal auf dem Französischen Friedhof: Ihren Mitgliedern, die für König und Heimat gefallen sind Französische Exilkirche [der Hugenotten] in Berlin, 2. September 1876Rund 40 Tausend französische Flüchtlinge flohen nach Deutschland, eine Hälfte davon ließ sich nach Herausgabe des Edikts vom calvinistischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. vom selben Jahr in Brandenburg und seinem Zentrum Berlin nieder. Der französischen Kolonie wurden zahlreiche Privilegien wie freie Berufsausübung, freie Wohnplatzwahl, Zollfreiheit, eigenes Gerichts- und Schulwesen gewährt. Nicht nur deswegen kam es noch in weiteren Generationen zu Reibereien mit den Alteingesessenen.

Die Hugenotten, die aus Lotringen, Sedan, Paris, aber auch aus dem südfranzösischen Languedoc stammten, stellten bald ein Fünftel der Bevölkerung Berlins dar, wurden jedoch vom Herrscher als tüchtige Helfer beim Aufbau vom kriegszerstörten und entvölkerten Brandenburg nach dem Dreißigjährigen Krieg willkommen geheißen. Diese Erwartungen wurden erfüllt.


Die zunächst einsprachigen Hugenotten, zu deren Nachkommen auch der Schriftsteller Theodor Fontane oder die Wissenschaftler Brüder Humboldt gehörten, assimilierten sich in der fremden Umgebung: Es stieg die Anzahl der Mischehen, und als ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts ihre Privilegien eingeschränkt wurden, zogen zahlreiche von ihnen weg. Das Konsistorium der französischen Exilkirche in Berlin wechselte in der Korrespondenz mit den deutschen Behörden seit den 1820er Jahren und in internen Dokumenten seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf Deutsch. In Kirchenbüchern hielt sich die französische Sprache bis Ende des 19. Jahrhunderts.

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In der Geschichte Berlins ging es nicht um die letzten Franzosen. Zu erwähnen ist die zweijährige Besetzung durch napoleonische Truppen Anfang des 19. Jahrhunderts, die kurz nach dem Zeitraum der Bewunderung für alles Französische folgte, besonders in der Regierungszeit Friedrich II. Großen, der von einer Hugenottin erzogen wurde und seine Werke auf Französisch schrieb.

Nach dem 2. Weltkrieg verwaltete Frankreich als eine der Besatzungsmächte bis zur Wiedervereinigung den nordwestlichen Teil der Stadt. Im französischen Sektor standen Kasernen der französischen Militärtruppen, Siedlungen (Cité Guynemer, Joffre, Pasteur), Folgeeinrichtungen für französische Soldaten und ihre Familien, aber auch kulturelle Institutionen (Centre Français, Bagatelle). In Berlin dienten bis zum Jahr 1994 mehr als 120 Tsd. französische Soldaten.

Heute erinnern an die französische Vergangenheit oft nur noch Nachnamen, Sehenswürdigkeiten (Französischer Dom am Gendarmenmarkt, Französischer Friedhof) oder Namen von Straßen oder Ortsteilen wie Moabit oder Französisch Buchholz.

Das lange Zusammenleben mit den Franzosen, insbesondere den Hugenotten, hinterließ nichtsdestoweniger auch an der Umgangssprache der Berliner Spuren. Typische Beispiele sind Ausdrücke wie: Bulette (Boulette – fr. Fleischknödel), aber auch Lamäng (la main – fr. die Hand) oder mutterseelenallein (moi tout seul – fr. ich ganz allein).

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