Interview mit Dolmetscherin: Nicht alles wird gedolmetscht

Schweizer Jugendmagazin Tink veröffentlichte ein Interview mit Yve Delaquis, diplomierter Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin mit 20-jähriger Berufserfahrung. Aus dem Gespräch:

Über das Berufsprestige: „Früher (…) respektierte man (…) die Fähigkeit, sehr schnell das gesprochene Wort weitergeben zu können. (…) Heute aber empfindet man Dolmetscher nicht selten als ein notwendiges Übel.“
Über die Redner: „Seit einiger Zeit liegt das Hauptproblem darin, dass wir die Redner immer schlechter verstehen, weil sie gezwungen werden, sich in einer Fremdsprache, vor allem in einem Möchtegern-Englisch, auszudrücken. Dann kommt es vor, dass alle Konferenzdolmetscher (…) sagen: ‚Tut uns leid, wir verstehen den Referenten nicht, folgen Sie ihm bitte in der Originalversion.‘ (…) Problematisch wird es (…) bei schlechten Rednern, die 40 Seiten in Top-Geschwindigkeit runterleiern. (…) In solchen Fällen informieren wir die Teilnehmer, dass wir unsere Mikrofone schließen werden. (…) Redner (…) strukturieren und formulieren (…) ihre Gedanken oft nicht richtig. (…) Somit sind wir Linguisten darauf angewiesen, das schlecht Geschriebene und Gesprochene zu dekodieren.“

Über die eigene Meinung, die im Widerspruch zum Gedolmetschten steht: „Ich bin in dem Moment nicht ich selbst, sondern die Stimme des Redners.“

Über die Schimpfwörter: „Der Körperausdruck jedes Redners ist sehr wichtig. (…) Es braucht nicht jedes Wort gedolmetscht zu werden.“

Über die Zukunft: „Solange Teilnehmer und Referenten sich nicht dagegen wehren, dass immer öfters nur in einer ‚Halbsprache‘ getagt wird, wird sich die Lage kaum ändern.“